Toxikologe Frank Mußhoff im Interview

Alkohol vs. Cannabis – wie unterscheiden sie sich?

Lässt sich ein Joint mit einem Glas Wein vergleichen? Wie wirken sich Alkohol und Cannabis auf die Fahrtüchtigkeit aus? Wie lange sollte man nach dem Konsum das Fahrzeug stehen lassen? Wir haben nachgefragt bei Professor Frank Mußhoff, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin.

16.12.2024
4 min Lesedauer

Ein Glas Wein und dann noch fahren? Den meisten Menschen dürfte klar sein, was sie von dieser Idee halten sollten. Anders bei Cannabis: Die Droge ist in Deutschland erst seit kurzem teilweise legalisiert – und das hat viele Fragen aufgeworfen. Wann darf man nach dem Konsum wieder fahren? Wie beeinflusst Kiffen die Fahrtüchtigkeit und damit Fahrsicherheit? Und lässt sich Cannabis mit Alkohol vergleichen?

THC-Werte mit Promillewerten nicht vergleichbar

Professor Frank Mußhoff ist Experte für die Auswirkungen von Drogen auf die Fahrsicherheit. Sowohl Alkohol als auch Cannabis wirken auf das zentrale Nervensystem, betont der forensische Toxikologe. Doch er warnt vor einem direkten Vergleich.

Laut dem Experten versuchten viele, THC-Werte mit Blutalkoholwerten gleichzusetzen – doch das sei ein gefährlicher Fehlschluss. „Die beiden Substanzen wirken völlig unterschiedlich und bauen sich zudem auf unterschiedliche Weise im Körper ab.“

So beeinflusse schon die Art und Weise, wie jemand Cannabis konsumiere, die Effekte des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC). „Wer Cannabisprodukte raucht, erlebt einen sehr schnellen und starken Rausch.“ Anders sei es beim Essen von Cannabis, beispielsweise beim Verzehr von THC-haltigen Keksen: Hier setze die Rauschreaktion später ein, halte aber dafür länger an. In beiden Fällen habe das erhebliche Folgen für die Fahrsicherheit.

Cannabiskonsumierende können Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren, ihre Bewegungen zu koordinieren oder auf Gefahren zu reagieren, warnt der Experte. Außerdem könne der Konsum das räumliche Sehen und die Wahrnehmung von Licht- und akustischen Signalen beeinträchtigen.

Ein Foto von Prof. Mußhoff
Professor Frank Mußhoff ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin e.V.

Mindestens 24 Stunden warten

Doch wie lange hält die Fahruntüchtigkeit nach dem Cannabiskonsum an? Der ADAC und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat empfehlen Verkehrsteilnehmenden, die gelegentlich Cannabis konsumieren, nach dem Konsum mindestens 24 Stunden zu warten, bevor sie wieder aktiv am Straßenverkehr teilnehmen. „Damit kann man gut leben“, kommentiert Mußhoff. Doch jeder Mensch reagiere anders auf die Droge.

Ein verschwommenes Bild in einem Autotunnel. Es sind Lichter und verschiedene Autos zu sehen.
Alkohol und Cannabis beeinträchtigen die Wahrnehmung und die Fahrsicherheit. Vergleichen lassen sie sich trotzdem nicht.

Ähnlich wie bei Alkohol hänge die Cannabiswirkung von körperlichen Voraussetzungen wie dem Stoffwechsel und dem Körpergewicht ab, gibt der Experte zu bedenken. Auch die Häufigkeit, mit der jemand Cannabis konsumiere, und die individuelle Toleranz gegenüber Cannabis spielten eine entscheidende Rolle.

Es gebe Menschen, die an Alkohol gewöhnt seien und bei denen im unteren Promillebereich keine Auffälligkeiten zu beobachten seien. Ähnlich sei es bei Cannabis: Wer regelmäßig konsumiere, zeige möglicherweise geringere Ausfallerscheinungen als jemand, der selten Cannabis konsumiere. Das sei aber kein Freifahrtschein, betont der Toxikologe.

Hohe THC-Werte bei Dauerkonsum

Auch wer eine höhere Alkoholtoleranz habe, müsse sich an die 0,5-Promille-Grenze halten. Doch während Alkohol kontinuierlich mit 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde abgebaut werde, verhalte es sich bei Cannabis anders. Hier spricht der Verkehrstoxikologe von „Eliminations-Halbwertszeiten“: Innerhalb von etwa anderthalb Stunden halbiere sich jeweils die THC-Konzentration im Blut. Doch Mußhoff betont, dieser Wert sage wenig darüber aus, ab wann jemand wieder fahrsicher ist.

Auch nach den 24 Stunden können bei einigen Menschen noch Ausfallerscheinungen auftreten. Wer regelmäßig Cannabis konsumiere, laufe hingehen Gefahr, eine hohe Toleranz zu entwickeln, während sich das THC bei ihnen gleichzeitig langsamer abbaut. „Deshalb können bei Dauerkonsumierenden auch nach 24 Stunden noch mehr als 3,5 Nanogramm THC messbar sein“, warnt der Experte.

Wie sich Alkohol oder Cannabis auf eine Person auswirken, ist individuell verschieden.

Professor Frank Mußhoff

In solchen Fällen sei eine längere Abstinenz notwendig, um wieder sicher am Straßenverkehr teilnehmen zu können, empfiehlt Mußhoff. Die nötige Dauer dieser Cannabispause sei individuell verschieden: Bei manchen Personen könne auch nach mehreren Monaten noch THC im Blut nachgewiesen werden.

Unterschätzte Spätfolgen

Neben der akuten Wirkung warnt der Toxikologe vor der Langzeitwirkung von regelmäßigem Cannabiskonsum: „Wir als Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin stehen dem dauerhaften Konsum sehr kritisch gegenüber“. Wer regelmäßig Cannabis konsumiere, riskiere Persönlichkeitsveränderungen und erhebliche Leistungseinbußen, die auch das Fahren betreffen.

Es stelle sich sogar die Frage, ob solche Dauerkonsumierenden überhaupt noch über eine generelle Fahreignung verfügen, so Mußhoff. Das gelte insbesondere für Menschen, die schon in jungen Jahren mit einem Konsum begonnen haben und deren Gehirnentwicklung durch regelmäßigen Cannabiskonsum beeinträchtigt werden kann. Die Spätfolgen würden oft unterschätzt.

Alkohol und Cannabis – ein gefährlicher Cocktail

Ähnlich unbekannt seien für viele die Gefahren, wenn Alkohol und Cannabis zeitgleich konsumiert würden. Der Toxikologe warnt: „Das sind zwei zentral dämpfende Substanzen, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken können.“ Aus diesem Grund ist der Mischkonsum von Alkohol und Cannabis am Steuer verboten.

Mischkonsum erhöht die Unfallgefahr

Wer Cannabis und Alkohol gleichzeitig konsumiert, geht ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko ein. Der Mischkonsum führt zu deutlich verlängerten Reaktionszeiten, geringeren motorischen und eingeschränkten geistiger Leistungsfähigkeit. Schon geringe Mengen Alkohol reichen in Kombination mit Cannabis aus, um die Fahrtüchtigkeit deutlich zu beeinträchtigen.

Wer trinkt und kifft, fährt nicht

Die Kombination von Cannabis und Alkohol sei wegen der sich gegenseitig verstärkenden Wirkung besonders gefährlich. Das mindere aber nicht die hohen Risiken des Einzelkonsums, betont der Experte. Wer unter dem Einfluss von Alkohol oder Cannabis fahre, bringe sich und andere in Gefahr.

Das gelte auch, wenn der Konsum schon länger zurückliege: Wer Zweifel an seiner Fahrsicherheit hat, sollte das Fahrzeug stehen lassen und auf Alternativen wie öffentliche Verkehrsmittel ausweichen. Auch wenn der Konsum von Alkohol oder Cannabis erlaubt ist: Am sichersten ist es, nüchtern zu bleiben.

Bilder: FTC München GmbH/ INflowmotion, Shutterstock

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