Smartes Verkehrskonzept in Saarlouis

Mehr Sicherheit für Radverkehr und Feuerwehr

Ein interdisziplinäres Team in Saarlouis hebt den Stadtverkehr auf
ein neues Sicherheitsniveau – mithilfe von 5G-Mobilfunk.

20.11.2024
3 min Lesedauer
Ein Fahrradfahrer fährt bei Dämmerung auf einem Fahrradweg und macht einen Schulterblick. Von hinten nähern sich zwei Autos.
Besonders bei Dämmerung werden Radfahrende von Autos beim Rechtsabbiegen übersehen.

An der Kreuzung Walter-Bloch-Straße/Lisdorfer Straße in Saarlouis: Im Gebüsch liegt ein weiß lackiertes Fahrrad. Es erinnert an ein Mädchen, das hier bei einem Fahrradunfall starb. Weiße Fahrräder, sogenannte Ghostbikes, sind an vielen Orten in Deutschland zu finden. Sie sollen an verunglückte Radfahrerinnen und Radfahrer erinnern und gleichzeitig ein Mahnmal sein. Denn immer wieder kommt es zu schweren Unfällen, vor allem durch Fehler beim Rechtsabbiegen. Konkret heißt das: Eine Person biegt mit ihrem Fahrzeug nach rechts ab und missachtet dabei die Vorfahrt der radelnden Person neben ihr – es kommt zum Zusammenstoß. Im Jahr 2022 registrierte die Polizei 10.251 Fehler beim Rechtsabbiegen, die zu einem Unfall mit Personenschaden führten. 35 Menschen verloren dabei ihr Leben.

Wenige Meter von der Kreuzung entfernt befindet sich die Abfahrt von der Gustav-Heinemann-Brücke. Sie gehört zu den gefährlichsten Streckenabschnitten in Saarlouis. Die Straße ist abschüssig, Auto- und Fahrradfahrende sind schnell unterwegs. An der ersten Ausfahrt nach rechts kommt es immer wieder zu Unfällen. Eine Kollisionswarnanalge soll das ändern. Eine Projektgruppe erprobt diese im Rahmen des interdisziplinären Verkehrsprojekts „5G-SLS“. Ziel ist es, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen.

Ein weiß lackiertes Fahrrad steht am Straßenrand in einem Gebüsch. An dem Fahrrad ist ein Schild mit einem schwarzen Kreuz und der Aufschrift „Mädchen mit Fahrrad“ befestigt.
Weiß lackierte Fahrräder erinnern an verunglückte Radfahrerinnen und Radfahrer.

Lichtsignale alarmieren Auto- und Radfahrende

Für das Projekt wurde der Beleuchtungsmast an der Ausfahrt mit einer Kamera ausgestattet, die das Verkehrsgeschehen beobachtet. Patrik Steffes von der Firma Yunex, die intelligente Verkehrsleitsysteme herstellt, erläutert: „Mithilfe künstlicher Intelligenz wird das Live-Bildmaterial am Ort ausgewertet und erkannt, wenn sich ein Auto und ein Fahrrad gleichzeitig der Abbiegespur nähern.“ Dann blinken Leuchtdioden, die in der Fahrbahn verbaut sind, und ein Lichtsignal am Mast, um beide Verkehrsteilnehmenden zu warnen.

5G sorgt für reibungslosen Datenaustausch

Eine Herausforderung ist die große Menge an Daten, die das System in diesem Moment übertragen und auswerten muss, um die Verkehrsteilnehmenden rechtzeitig warnen zu können. Auch hier sorgt 5G-Mobilfunk für eine schnelle und reibungslose Datenübertragung zwischen Kamera, KI und Leuchtdioden. Da es sich um personenbezogene Daten handelt, werden diese nicht an einen zentralen Rechner gesendet, sondern direkt vor Ort verarbeitet.

Dass 5G mit seinen hohen Datenraten einen großen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger bietet, hat die Stadt Saarlouis längst erkannt und eine Smart-City-Strategie erarbeitet. In verschiedenen Teilprojekten konzipieren und testen die Beteiligten 5G-Anwendungen in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung und Tourismus. Davon profitieren nicht nur Rad- und Autofahrende, sondern auch die Feuerwehr.

An einem Verkehrsmast mit mehreren Verkehrsschildern ist eine Kamera und weitere Technik angebracht.
Eine Kamera überwacht das Verkehrsgeschehen. Künstliche Intelligenz wertet die Bilder aus und erkennt, wenn sich Auto und Fahrrad gleichzeitig der Ausfahrt nähern.

Vorrangschaltung leitet Feuerwehr durch den Stau

Denn wenn die Feuerwehr zu einem Einsatz ausrückt, muss es schnell gehen. Sekunden entscheiden oft über Leben und Tod. Damit die Einsatzkräfte in Saarlouis schnell und sicher an ihr Ziel kommen, setzt die Stadt auf eine sogenannte Vorrangschaltung. Diese schaltet Ampeln gezielt frei, sodass die Feuerwehr Kreuzungen ungehindert überqueren kann.

Das Einsatzfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Saarlouis ist zu diesem Zweck mit einer sogenannten On-Board-Unit (OBU) ausgestattet. Sobald eine Einsatzkraft das Blaulicht einschaltet, sendet die OBU die GPS-Position des Fahrzeugs an den zentralen Verkehrsrechner der Stadt. Das System verfolgt die Fahrt und erkennt anhand virtuell definierter Meldepunkte, wenn sich das Fahrzeug einer Kreuzung nähert. Es schaltet dann vom Normalbetrieb auf Vorrangschaltung um und steuert die umliegenden Ampeln zugunsten der Feuerwehr.

Auf einer Teststrecke zwischen der Feuerwache und der Kreuzung Walter-Bloch-Straße und Lisdorfer Straße wird das System getestet: Fährt der Einsatzwagen mit Blaulicht los, schalten alle Ampeln auf Rot, sodass sich kein Fahrzeug mehr in der Mitte der Kreuzung befindet. Kurz bevor der Wagen die Kreuzung erreicht, wechselt die Ampel in Fahrtrichtung der Feuerwehr auf Grün. Die dort wartenden Autos fahren los und machen dem Fahrzeug Platz. Die Feuerwehr kann die Kreuzung ungehindert passieren.

Ein Feuerwehrauto fährt über eine Kreuzung. Das Fahrzeug ist leicht verschwommen. Im Hintergrund sind Hausfassaden und parkende Autos zu sehen.
Freie Fahrt: Das Feuerwehrauto kann ungehindert über die Kreuzung fahren.
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Das Foto zeigt ein technisches Gerät, das im Cockpit eines Feuerwehrautos montiert ist.
Die On-Board-Unit sendet die GPS-Position des Einsatzwagens an den zentralen Verkehrsrechner der Stadt.
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Acht Menschen stehen in einer Reihe und schauen in Richtung Kamera.
Das interdisziplinäre Projektteam verfolgt die Vision, ein ganzheitliches und multimodales Verkehrskonzept für Saarlouis zu schaffen.
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5G ermöglicht intelligentes Schalten

Damit die Vorrangschaltung zuverlässig funktioniert, ist auch hier eine Verbindung über das 5G-Mobilfunknetz notwendig. „Wichtig sind für uns die geringen Latenzzeiten, denn die Kommunikation zwischen OBU und Verkehrsrechner muss sehr schnell gehen“, sagt Fabien Coulet, Spezialist für Mobilfunktechnologie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar). Latenz bezeichnet bei der Datenübertragung die Zeit zwischen Senden und Empfangen. Bei 5G ist sie so gering, dass keine Verzögerung mehr wahrnehmbar ist – man spricht daher von Echtzeitkommunikation.

„Die Technologie ist serienreif. Nicht mehr lange und solche Systeme werden standardmäßig in allen Einsatzfahrzeugen verbaut“, sagt Coulet. Sobald die Vorrangschaltung und der Kollisionsschutz ausgiebig getestet wurden, sollen die Technologien auch an anderen Stellen in Saarlouis zum Einsatz kommen.

Bilder: David Kliewer

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