Lieferungen zustellen im hektischen Straßenverkehr

Der Berufsalltag von Paketbotinnen und Paketboten

Sie sorgen dafür, dass alle Pakete pünktlich ankommen: Zustellerinnen und Zusteller. Doch viele wissen nicht, wie gefährlich ihr Job sein kann. Im Interview klärt eine Expertin über den Alltag von Paketbotinnen und Paketboten auf.

15.05.2024
5 min Lesedauer

Lieferungen trotz hektischem Straßenverkehr zustellen – der Berufsalltag von Paketbotinnen und Paketboten

Auto abstellen, aussteigen, Pakete holen und abliefern – für die Hälfte der rund 260.000 Beschäftigten der Kurier-, Express- und Paketbranche ist das Alltag. Vor allem Zustellerinnen und Zusteller sind dabei unmittelbar dem fließenden Straßenverkehr ausgesetzt. Welche Gefahren dabei lauern, erklärt Elena Marcus-Engelhardt im Interview. Sie ist Leiterin für Kommunikation und Politik beim Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX).

Frau Marcus-Engelhardt, schnell eine Parklücke finden und unter Zeitdruck Pakete ausliefern: Das klingt nach viel Hektik. Welche Erfahrungen machen Zustellerinnen und Zusteller in ihrem Alltag – insbesondere im Straßenverkehr?

Die Zustellerinnen und Zusteller machen sehr schöne und auch weniger schöne Erfahrungen. Auf der einen Seite gibt es im Straßenverkehr sehr verständnisvolle Verkehrsteilnehmende: Manche verzichten zum Beispiel auch mal auf ihre Vorfahrt, um den Lieferwagen reinzulassen. Auf der anderen Seite gibt es die weniger verständnisvollen, die wild hupen und unsere Kolleginnen und Kollegen beschimpfen.

Wie hat sich der Straßenverkehr aus Ihrer Sicht verändert?

Die Straßen werden immer voller, es gibt immer mehr Staus. Die Zustellerinnen und Zusteller berichten zudem, dass sie zunehmend aufmerksamer fahren müssen, da immer mehr Menschen am Steuer telefonieren. Oft halten andere Verkehrsteilnehmende nicht die Spur. Auch beim Thema „rechts vor links“ und beim Abbiegen sind andere oft unkonzentriert. Die Zustellenden müssen noch aufmerksamer sein, um die Ablenkung der anderen Verkehrsteilnehmenden zu kompensieren und schlimme Unfälle zu vermeiden. Außerdem sind immer mehr und vor allem schnellere Radfahrerinnen und Radfahrer unterwegs, auf die man etwa beim Rechtsabbiegen noch stärker achten muss.

Der Lieferverkehr wird in vielen Städten noch nicht ausreichend berücksichtigt. Es fehlen Park- oder Halteflächen. Unsere Kolleginnen und Kollegen müssen daher immer wieder in zweiter Reihe auf der Straße stehen und arbeiten. Das ist gefährlich.

Welche Phasen sind besonders herausfordernd?

Für die Paketdienstleister sind die Monate November und Dezember, also das Weihnachtsgeschäft, sehr herausfordernd. Meist gibt es in dieser Zeit auch Krankheitswellen, dann fehlen noch zusätzlich Arbeitskräfte. Das verstärkt dann den grundsätzlichen Arbeitskräftemangel in der Branche.

Für einige Unternehmen ist die Lieferung von zeitkritischen Produkten besonders relevant. Da bleibt nur ein bestimmtes Zeitfenster, um die Expresslieferungen abzuholen oder zuzustellen. Wenn dann viele Pakete gleichzeitig anfallen, ist das auf jeden Fall auch eine Herausforderung. Schwierig wird es, wenn noch bestimmte Durchfahrtszeiten einzuhalten sind, also beispielsweise nur zwischen 8 und 11 Uhr in eine Straße gefahren werden darf.

Der BPEX vertritt die Unternehmen DPD, GLS, GO!, Hermes, myflexbox, Night Star Express, nox und UPS. Von welchen positiven Erfahrungen berichten die Kolleginnen und Kollegen? Was gefällt ihnen an ihrem Job?

Ein Paketbote übergibt einer Kundin ein Paket.
Der Berufsalltag der Zustellerinnen und Zusteller ist sehr abwechslungsreich.

Viele schätzen die frische Luft und die Eigenverantwortung auf ihrer Tour. Besonders während der Corona-Zeit war die Wertschätzung für die Paketzustellerinnen und -zusteller sehr hoch, weil alle noch mehr auf sie angewiesen waren als sonst. Schließlich lieferten sie von der Seife bis zum Toilettenpapier alle Waren des täglichen Bedarfs aus.

Insbesondere alternative Zustelllösungen, wie Lastenfahrräder oder Elektrofahrzeuge sind z. B. bei Fußgängerinnen und Fußgängern oft beliebt. Das macht die Zustellerinnen und Zusteller auch stolz auf ihre Tätigkeit.

Natürlich ist es auch spannend, prominenten Persönlichkeiten ein Paket zu bringen. Ob Politiker, Musikerin oder Fußballer – die Kolleginnen und Kollegen haben viele Geschichten zu erzählen.

Wie hat sich das Verbraucherverhalten verändert – und welchen Einfluss hat dies auf die Paketbotinnen und Paketboten?

Die Empfängerinnen und Empfänger sind von der Paketbranche zuverlässigen Service gewohnt und technisch anspruchsvoller geworden. Es werden vermehrt technische Lösungen, wie Live-Zustellverfolgung, unkomplizierte Zustelländerungen und Anpassungen nachgefragt. Damit steigen auch die Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen.

Wie gehen die Botinnen und Boten mit Stress, Zeitdruck und wechselnden Witterungsbedingungen um?

Manche machen den Job schon sehr lange. Sie sind sehr routiniert im Umgang mit äußeren Einflüssen und lassen sich nicht so schnell stressen.

Generell ist es wichtig, dass sie die Ruhe bewahren, durchatmen und defensiv fahren. Sie sollten Abstände einhalten oder vergrößern, wenn Schnee, Nässe und Laub auf der Straße liegen. Ausreichend Schlaf und Pausen sind wichtig, um konzentriert zu bleiben. Wichtig ist auch, ausreichend zu essen und zu trinken, das wird teilweise unterschätzt.

Eine Frau mit braunen Haaren lächelt vor dunklem Hintergrund in die Kamera. Es ist Elena Marcus-Engelhardt. Sie ist Pressesprecherin des Bundesverbandes Paket- und Expresslogistik.
Elena Marcus-Engelhardt ist Pressesprecherin beim BPEX (Bundesverband Paket- und Expresslogistik).

DANKE SAGEN HILFT GEGEN STRESS

Angenommen, ich habe die Zeit und vor allem die Möglichkeit, dann kann ich meinem Paketboten im Treppenhaus entgegenlaufen. Was kann ich darüber hinaus tun, um den Stress zu minimieren?

Respekt und Freundlichkeit sind wichtig. Stress entsteht nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Zum Beispiel, wenn man angeblafft wird oder nicht begrüßt wird. Einfach mal Danke sagen. Es muss nicht immer ein Geschenk sein. Im Hochsommer bei 35 Grad schadet es nicht, der Zustellerin oder dem Zusteller ein Glas Wasser anzubieten.

Was wünschen sich Botinnen und Boten von anderen, wenn sie unterwegs sind?

Rücksichtnahme, Respekt und mehr Verständnis für die vielen Herausforderungen, wie z. B. das Parken in zweiter Reihe. Sie wollen es nicht, aber wenn sie es müssen, dann wollen sie dafür nicht beschimpft werden.

Ein Paketbote übergibt einer Kundin ein Paket.

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Millionen Kurier-, Express- und Paketsendungen beförderten die Paketdienstleister im Weihnachtsgeschäft 2023.

Was wünschen Sie sich als Verband?

Wir wünschen uns ein Bewusstsein dafür, dass die Zustellerinnen und Zusteller eben nicht nur fahren, sondern auch im öffentlichen Verkehrsraum arbeiten. Das muss anerkannt werden und dafür brauchen sie sichere Arbeitsräume, also Stellflächen für die Transporter.

Außerdem brauchen wir eine klare Beschilderung für den gewerblichen Lieferverkehr. Ein neues Verkehrszeichen „Ladebereich“ würde helfen, das Parken in zweiter Reihe einzudämmen. Das fordern wir seit langem und alle Verkehrsminister haben uns dabei unterstützt. Nun hat der Bundesrat im vergangenen November der Novelle des Straßenverkehrsgesetzes nicht zugestimmt. Damit fehlt die Rechtsgrundlage für die Änderung der Straßenverkehrsordnung und somit für die Einführung des erwähnten Verkehrszeichens „Ladebereich“, was wirklich ärgerlich ist. Aber natürlich arbeiten wir weiter daran, bessere Bedingungen zu schaffen.

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