Einarmhelden & Einbeinhelden
Motorradleidenschaft: Fahren mit Behinderung
Auch viele Menschen mit Behinderung begeistern sich für Motorräder. Der Verein Einarmhelden & Einbeinhelden hilft ihnen, ihrer Leidenschaft nachzugehen. Die Vorsitzende Jolene Lack über ihren Weg zum Führerschein und die Hürden, die sie dabei überwunden hat.
Motorradfahren ist aus dem Leben von Jolene Lack nicht mehr wegzudenken. Von Geburt an fehlt ihr der rechte Unterarm – was sie nicht davon abhält, auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Das will Jolene Lack als Vorsitzende des Vereins Einarmhelden & Einbeinhelden auch anderen Motorradbegeisterten mit Handicap ermöglichen. Im Interview erzählt sie von ihrem Weg zum Führerschein und den Hürden, die sie dabei überwunden hat.
Was war Ihr erster Schritt auf dem Weg zum Motorradführerschein?
Als erstes musste mein Motorrad so umgebaut werden, dass ich es mit einer Hand bedienen kann. Deshalb sind Kupplung und Bremse bei mir auf der linken Lenkerseite. Und ich habe eine spezielle Unterarmprothese, die sich bei einem Sturz vom Lenker löst, damit ich nicht hängen bleibe.
Wie verlief dann der Weg bis zur Fahrprüfung?
Das Ganze fing mit einem verkehrsmedizinischen Gutachten an. Das hat bestätigt, dass ich mit meiner Behinderung fahren kann. Mit 15 habe ich mich dann bei der Fahrschule angemeldet. Nachdem ich den Theorieunterricht und ein paar Fahrstunden hinter mir hatte, musste ich eine Fahrprobe beim TÜV machen. Da habe ich gezeigt, dass ich mit meiner Prothese und den Umbauten am Motorrad sicher fahren kann. Danach kamen ganz normal die Theorieprüfung und dann die praktische Prüfung.

Gibt es Unterschiede bei Menschen mit Behinderung an den Beinen?
Teilweise ja. Sie brauchen keine spezielle Motorradprothese und können ihre Alltagsprothese tragen. Aber auch sie müssen ihr Motorrad umbauen lassen, damit Bremse und Schaltung mit einem Bein zu bedienen sind. Egal um welche Behinderung es geht, müssen alle notwendigen Umbauten, Prothesen oder Orthesen im Führerschein eingetragen werden. Das ist nicht anders, als wenn jemand eine Brille zum Autofahren braucht.
Prothesen und Orthesen – was ist der Unterschied?
Prothesen bilden fehlende oder geschädigte Körperteile wie Gliedmaßen oder Organe vollständig oder teilweise nach. Sie dienen dazu einen funktionellen Ausgleich zu schaffen.
Orthesen sind medizinische Hilfsmittel, die äußerlich am Körper angelegt werden. Sie unterstützen, fixieren oder entlasten die Funktion eines Körperteils, wie zum Beispiel des Arms, Rückens oder Knöchels einer Person.
Ob eine Person ihre Alltagsprothese für das Motorradfahren nutzen kann, oder eine Spezialanfertigung benötigt, hängt von der Art der Behinderung ab.
Vor welchen Hürden stehen die Menschen, die sich bei Ihrem Verein melden?
Wir hören immer wieder von Fahrschulen und Führerscheinstellen, die behaupten, dass Menschen mit Behinderungen nicht fahren dürfen. Das stimmt aber nicht. Ein weiteres Problem, das ich selbst erlebt habe, ist Ärger mit den Krankenkassen. Viele unserer Mitglieder berichten von Schwierigkeiten bei der Kostenübernahme für Prothesen und Orthesen. Aber genau da kommen wir als Verein ins Spiel und können Unterstützung bieten.
Wie sieht die Unterstützung im Verein konkret aus?
Überall in Deutschland haben wir Mitglieder, die sich regelmäßig treffen und gemeinsam Motorradtouren unternehmen. Es ist einfach schön zu sehen, wie viele Menschen mit Behinderung Lust aufs Motorradfahren haben und ihren Traum in die Tat umsetzen.
Unter den mittlerweile 50 Einbeinhelden und Einarmhelden helfen wir uns gegenseitig und tauschen Erfahrungen aus. Wir haben Kontakte zu Motorradwerkstätten und Fahrschulen und wissen, welche Arztpraxen oder Prüfstellen sich gut auskennen.

Jolene Lack
Gibt es eine besonders ermutigende Geschichte aus Ihrem Verein?
Die Story eines unserer Mitglieder hat mich sehr beeindruckt. Er war in einen schweren Unfall verwickelt, als er mit seiner Partnerin als Beifahrerin unterwegs war. Dabei haben beide ihren rechten Unterschenkel verloren. Trotz dieser schrecklichen Erfahrung ist er heute wieder mit dem Motorrad unterwegs.

Was wünschen Sie sich für den Straßenverkehr?
Im Sommer melde ich mein Auto ab und fahre nur noch mit dem Motorrad. Fast bei jeder Fahrt werde ich von anderen Verkehrsteilnehmenden übersehen. Es ist so wichtig, dass alle im Verkehr mehr Rücksicht nehmen, den Schulterblick machen und vor allem das Handy bei der Fahrt weglassen.
Außerdem wäre es schön, wenn nicht alle Motorradfahrenden unter dem Generalverdacht stünden, zu schnell und aggressiv zu fahren. Gerade wir von den Einarmhelden & Einbeinhelden kämpfen oft mit Vorurteilen. Viele denken, dass unsere Behinderung die Folge von rücksichtslosem Fahren ist.
Was ist Ihre Botschaft an Menschen, die mit ihrer Behinderung Motorrad fahren?
Gebt eure Träume nicht auf und glaubt weiter an euch. Wenn ihr wieder Motorrad fahren wollt, können wir euch helfen. Ich musste viele Hürden überwinden, aber ich würde es immer wieder tun. Lasst euch nicht entmutigen, wenn jemand sagt, dass es nicht geht. Wir sind der Beweis, dass es möglich ist. Ohne mein Motorrad wäre ich sehr unglücklich.
Bilder: Jolene Lack, Torsten Krämer