Verkehrssicherheit für Menschen mit Behinderung

Darum ist Mobilität die Voraussetzung für Teilhabe

Für Menschen mit Behinderungen kann der Straßenverkehr eine Herausforderung sein. Es gibt Angebote, die dabei helfen besser und sicherer durch den Straßenverkehr zu kommen.

04.06.2025
3 min Lesedauer
Vier Personen überqueren einen Zebrastreifen, eine Person mit Rollstuhl.

Ob auf dem Weg zu Ärztinnen und Ärzten oder zur Behörde, ob beim Wocheneinkauf oder beim Sonntagsspaziergang: Um den Alltag selbstständig zu bestreiten, sind wir alle darauf angewiesen, am Straßenverkehr teilzunehmen. Doch für Menschen mit Behinderungen kann das zur Herausforderung werden.

Mehr als ein Drittel der Menschen mit Behinderung trauen sich laut einer Umfrage im Auftrag von Aktion Mensch e. V.manchmal nicht zu, selbstständig im Straßenverkehr unterwegs zu sein. Deshalb engagieren sich verschiedene Verkehrssicherheitsinitiativen dafür, dass Menschen mit Behinderung sicherer unterwegs sein können. Doch auch jede und jeder Einzelne kann dazu beitragen, Barrieren abzubauen und die Straßen für Menschen mit und ohne Behinderungen sicherer zu machen.

Engagiert für mehr Inklusion im Verkehr

„Mobilität heißt Beweglichkeit, Lebendigkeit, Wandel und Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Partizipation und hat dadurch einen besonders hohen Stellenwert“, sagt Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats e. V. (DVR). Mobilität führt zur Erweiterung unseres Aktionsradius, eröffnet immer neue Wahlmöglichkeiten, beispielsweise bei der Freizeitgestaltung und dient der Aufnahme und Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten. Diese Möglichkeiten müssen für alle gleichermaßen gelten, auch für mobilitätseingeschränkte Personen.

Hier setzen spezielle Programme an, wie „mobil teilhaben“ und die Angebote des Rehasportvereins Mühlhausen e. V. „Ich lebe ohne Hindernisse ILOH“:

„mobil teilhaben“ für Menschen mit geistiger Behinderung

Mit dem Projekt „mobil teilhaben“ hilft die Deutsche Verkehrswacht (DVW) Kindern und Jugendlichen mit intellektuellen Beeinträchtigungen, sich selbstständig im Straßenverkehr zu bewegen.

Durch Lerninhalte und Übungen stellt das Projekt Schulen einen flexiblen Baukasten bereit, mit dem Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler individuell fördern können. Die Zielgruppe ist vielfältig, sagt DVW-Projektleiter Josef Weiß: „Von Kindern, die selbstständig mit dem Bus fahren, bis hin zu Jugendlichen mit mehrfachen Behinderungen, die nur eingeschränkt im Straßenverkehr unterwegs sein können.“ Das Ziel von Josef Weiß: „Möglichst vielen Heranwachsenden zu ermöglichen, selbstständig mobil zu sein.“ So unterstützt „mobil teilhaben“ Schulen dabei, den Schülerinnen und Schülern beizubringen, wie sie sich sicher und möglichst selbstständig im Straßenverkehr bewegen können, denn „Mobilität ist die Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe“, sagt er.

Mobilität ist die Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe“

Josef Weiß, Deutsche Verkehrswacht e. V.

Um die Inhalte so lebensnah wie möglich zu vermitteln, setzt das Projekt auf handlungsorientierte und möglichst anschauliche Inhalte. Josef Weiß ist es wichtig, dass die Inhalte einen Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler haben. Neben den Verkehrsregeln und -zeichen thematisiert das Projekt auch das Sozialverhalten im Straßenverkehr und den Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen, etwa einem verpassten Bus oder einer Baustelle auf dem Schulweg.

„Ich lebe ohne Hindernisse“ mit dem Rollstuhlführerschein

Ob auf Gehwegen, in Fußgängerzonen oder auf der Straße: Menschen, die im Rollstuhl oder mit anderen Mobilitätshilfen unterwegs sind, müssen sich oft in komplexen Verkehrssituationen zurechtfinden. Stufen, Kanten, unebenes Gelände, aber auch zugeparkte und zugestellte Wege erschweren ihnen den Alltag.

Damit Menschen, die mit einem Rollstuhl unterwegs sind, auf solche Situationen vorbereitet sind, bietet die Abteilung ILOH – „Ich lebe ohne Hindernisse“ des Rehasportvereins Mühlhausen e. V. unter anderem einen Rollstuhlführerschein an.

Im Schulzentrum können Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Unterrichts ein Training absolvieren und ein Zertifikat mit dem Titel „Rollstuhlführerschein” bekommen, wenn sie in einem Parcours zum Beispiel Herausforderungen wie Kippen und Drehen üben und lernen. „Die Kinder lernen den Rollstuhl und den Parcours kennen und fahren dann selbstständig“, sagt Vereinsmitglied Marco Pompe. Das Besondere an dem Angebot: Der Kurs richtet sich auch an Kinder, die im Alltag nicht im Rollstuhl unterwegs sind – sie lernen durch den Perspektivwechsel die Herausforderungen kennen.

So vermittle der Kurs nicht nur den Umgang mit dem Rollstuhl, sondern baue auch Vorurteile ab, sagt Marco Pompe und ergänzt: „Wir bringen den Schülerinnen und Schülern bei, wie man jemanden anspricht, der Hilfe braucht. Außerdem erkunden die Teilnehmenden ihre Umgebung, um zu sehen, wo es Barrieren gibt. Für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer gelten übrigens die gleichen Regeln wie für Fußgänger/-innen: Sie dürfen zum Beispiel keine Radwege benutzen.“

Tipps, um Menschen mit Behinderungen im Straßenverkehr zu unterstützen

Menschen mit und ohne Behinderungen können dazu beitragen, Barrieren abzubauen und mehr Sicherheit für alle zu schaffen:

  • Gehwege und Behindertenparkplätze freihalten: Parken Sie nicht auf Gehwegen. So bleibt genug Platz für alle – insbesondere für Menschen, die mit Kinderwagen, Rollator, Rollstuhl oder Blindenlangstock auf freie und kurze Wege angewiesen sind. Halten Sie Parkplätze frei, die für Menschen mit Behinderungen reserviert sind.

  • Hilfe anbieten: Sie können ihre Unterstützung anbieten, wenn Sie beobachten, dass andere Menschen – mit und ohne Behinderungen – Schwierigkeiten haben. Fragen Sie, ob und wie Sie am besten helfen können. Greifen Sie nicht einfach ungefragt ein.

  • Vorausschauend fahren: Seien Sie besonders aufmerksam und bremsbereit an Zebrastreifen und generell an Stellen, an denen Menschen die Straße überqueren.

  • Rücksicht zeigen: Geben Sie Menschen mit und ohne Mobilitätseinschränkungen mehr Zeit – besonders beim Straße queren. Haben Sie Verständnis, denn es gibt Einschränkungen und Herausforderungen, die man nicht unbedingt sieht.

Barrierefreiheit ist auch eine Frage der Haltung

Barrierefreiheit bedeutet mehr als gut ausgebaute Straßen und Wege. Taktile Leitsysteme, akustische Signale und klar erkennbare Beschilderungen sind besonders für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen essenziell. Viele Einschränkungen sind auf den ersten Blick nicht sichtbar – umso wichtiger ist ein rücksichtsvolles Miteinander im Verkehr. Ein respekt- und rücksichtsvolles Verkehrsklima, Offenheit und die Bereitschaft, sich in andere hineinzuversetzen, sind entscheidend, damit alle Menschen selbstbestimmt und sicherer unterwegs sein können.

Bild: Shutterstock

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