Panik hinterm Steuer: Was gegen Fahrangst hilft
Angst vorm Autofahren
Viele Menschen leiden unter Fahrangst. Sie trauen sich aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr ans Steuer. Doch eines teilen sie alle: ihre Furcht vor dem Autofahren. Eine Expertin für Fahrangst zeigt gemeinsam mit #mehrAchtung, was Betroffenen helfen kann.
Zitternde Hände suchen nach Halt – doch am Lenkrad finden sie keinen. Von hinten wird das Geräusch der Sirene immer lauter. „Der Rettungswagen braucht Platz, fahr rechts ran“, ruft der Kopf. Doch der Körper – er streikt: beim Kupplungtreten, beim Lückefinden, beim Lenken.
Betroffene von Fahrangst, sogenannter Amaxophobie, kennen Situationen wie diese zu gut. Plötzliche Panikattacken am Steuer gefährden nicht nur sie selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmende. Doch die gute Nachricht: Fahrangst lässt sich mit professioneller Hilfe und etwas Geduld erfolgreich therapieren. Am besten schnellstmöglich, rät Simone Morawietz, Coachin und Therapeutin für Fahrangst-Bewältigung mit eigener Praxis in Düsseldorf: „Betroffene sollten sich frühzeitig Hilfe suchen, anstatt die Angst jahrelang mit sich herumzutragen. Denn je früher man Unterstützung erhält, desto leichter kann man aus der Negativspirale ausbrechen.“

Auswirkungen einer Fahrangst
Seit mehr als zehn Jahren begleitet die Expertin Menschen auf ihrem Weg aus der Amaxophobie. „Betroffene haben oft die Sorge, die Kontrolle zu verlieren oder etwas zu übersehen“, erläutert Morawietz. Die Angst vorm Kontrollverlust hinterm Steuer gehe häufig mit körperlichen Reaktionen einher – etwa Schweißausbrüchen, Herzrasen oder Zittern. Wenn aus der Angst eine Panikattacke entsteht, kommen Beschwerden wie Atemnot, Hyperventilieren sowie Übelkeit und Erbrechen bis hin zur Todesangst und Ohnmacht hinzu.

Wer solche Symptome am Steuer erlebt, hat große Schwierigkeiten, den Verkehr im Blick zu behalten und in brenzligen Situationen situationsgerecht zu reagieren. Beispielsweise, wenn plötzlich ein Ball auf die Straße rollt oder sich ein Krankenwagen von hinten nähert. Eine Panikattacke beim Fahren ist daher nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmende sehr gefährlich. Aus diesem Grund entwickeln viele Menschen, die unter Fahrangst leiden, ein Vermeidungsverhalten: Sie setzen sich kaum oder gar nicht mehr hinters Steuer. „Doch dadurch wird die Angst immer stärker und verfestigt sich“, sagt Morawietz. Um diese Spirale aus Kontrollverlust und Angst erfolgreich aufzubrechen und wieder mit sicherem Gefühl zu fahren, „benötigen Betroffene viele kleine positive Erlebnisse und auf ihre Angst abgestimmte Übungen“, so die Coachin.
Fahrangst schrittweise überwinden
Morawietz setzt deswegen auf ein kleinschrittiges Coaching, das aus drei Bausteinen besteht.
Der erste Baustein umfasst persönliche Gespräche, um die Ursachen der Angst zu analysieren: Hatten die Betroffenen in der Vergangenheit ein einschneidendes Erlebnis? Sind es bestimmte Situationen im Straßenverkehr, in denen sich die Fahrangst zeigt?
Der zweite ist ein Onlinekurs, den die Teilnehmenden selbstständig absolvieren. Dieser bietet eine klare Herangehensweise und findet nicht im Auto statt, das mit dem Angstgefühl verknüpft ist, sondern in einer als sicher empfundenen Umgebung. Die Coachin empfiehlt den Betroffenen stattdessen, sich einen kurzen angstbesetzten Streckenabschnitt vorzustellen und zu visualisieren, wie sie diesen erfolgreich meistern.
Der letzte Baustein besteht darin, das Gelernte im Auto umzusetzen, wobei Morawietz die Teilnehmenden je nach Bedarf begleitet. Betroffene können beispielsweise zunächst auf einem leeren Parkplatz üben, um das Gefühl für das Fahrzeug zurückzugewinnen. Danach können sie sich auf eine kurze vertraute Strecke wagen – mit Unterstützung der Coachin, die Sicherheit und Ruhe vermittelt.
Konfrontationsübungen können Betroffenen ebenfalls dabei helfen, wieder sicherer am Steuer zu werden. Bei Angst vor Autobahnfahrten sind Übungsfahrten auf weniger befahrenen Autobahnen sinnvoll. Wiederholtes Fahren, Pausen an Raststätten und das Üben des Auffahrens auf Beschleunigungsspuren unterstützen dabei. Wenn sich trotzdem erste Anzeichen der Angst bemerkbar machen, können vorab eingeübte bestärkende Sätze auch helfen, negative Gedanken sowie innere Unruhe zu verdrängen.
Bewusst atmen gegen die Angst
Auch ruhiges Atmen kann panische Zustände lindern, da es die Grundlage für körperliche und psychische Balance bildet. Während einer Panikattacke fällt Betroffenen das Atmen jedoch schwer: Sie atmen schnell und flach und haben das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Die daraus folgende Hyperventilation führt schlimmstenfalls sogar zur Bewusstlosigkeit. Atemübungen, sowohl vorbeugend als auch im akuten Fall, helfen dabei, die Anspannung zu regulieren und somit die Panik einzudämmen. Zahlreiche Anleitungen dazu sind online, etwa auf Krankenkassen-Websites und auf der Homepage vom ADAC, zu finden.

Wichtig ist vor allem, dass die Übungen am Steuer umsetzbar sind – etwa die 4-7-8-Atmung: Dabei wird langsam durch die Nase eingeatmet, während bis vier gezählt wird. Anschließend wird der Atem angehalten und bis sieben gezählt. Danach folgt ein kräftiges Ausatmen durch den Mund, während bis acht gezählt wird. Diese Übung wird so oft wiederholt, bis eine Beruhigung eintritt.
Morawietz betont jedoch, dass Atemübungen professionelle Hilfe bei Amaxophobie nicht ersetzen sollten. Möglichst zeitig solle Hilfe in Form von Psychotherapie, Fahrstunden oder Coachings aufgesucht werden, um gefährliche Situationen zu vermeiden.
Ein rücksichtsvolleres Miteinander auf den Straßen
Selbst nach abgeschlossenem Coaching und überwundener Fahrangst gibt es immer wieder stressbelastete Situationen im Straßenverkehr. Diese gelassen zu lösen, ist eine Aufgabe aller, die mit Auto, Motorrad, Fahrrad oder E-Scooter unterwegs sind.
Morawietz wünscht sich mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr. Sie betont, dass ein respektvolleres Miteinander der Verkehrsteilnehmenden entscheidend sei – doch auf den Straßen gehe es oft rau zu. „Dies setzt Betroffene von Fahrangst unter erheblichen Druck, was die Situation zusätzlich verschärft“, gibt die Coachin zu bedenken. Sie betont: „Rücksichtnahme und mehr Achtung sind daher zentrale Aspekte, um den Straßenverkehr für alle Beteiligten sicherer und entspannter zu gestalten.“
Bilder: Shutterstock, Simone Morawietz, Scholz & Friends Berlin