Auto- vs. Fahrrad- vs. Fußverkehr?

Warum ein Miteinander im Verkehr alle voranbringt

Wenn es im Straßenverkehr an Rücksichtnahme mangelt, suchen wir die Schuld oft bei den „anderen“. Aber: Was denken sie? Warum handeln sie, wie sie handeln? Und: Was können wir selbst besser machen?

27.05.2025
4 min Lesedauer
Eine Frau fährt mit ihrem Fahrrad auf dem Radweg neben einem Pkw im Stadtverkehr.

„Pass doch auf!“ „Pass doch selber auf!“ Konflikte zwischen Auto- und Radfahrenden sind leider alltäglich – und sie gefährden die Verkehrssicherheit. Oft fehlt es an gegenseitigem Verständnis und Rücksichtnahme. Doch wer wagt den ersten Schritt – hin zu einem respektvolleren Verkehrsklima, das allen nützt?

Stau, schlechtes Wetter und rücksichtsloses Verhalten sind die Hauptfaktoren für Stress im Straßenverkehr – das zeigt eine Studie von #mehrAchtung in Zusammenarbeit mit dem infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft. Die ersten beiden Faktoren können wir kaum beeinflussen, rücksichtsloses Verhalten dagegen umso mehr.

Die meisten meinen: andere sind schlimmer

Tatsächlich ist der Umgang miteinander im Straßenverkehr rauer geworden, wie auch eine repräsentative Studie der Unfallforschung der Versicherer unterstreicht. Eine Erkenntnis der Forscherinnen und Forscher: Viele sehen die Verantwortung beim anderen, Selbst- und Fremdbild klaffen weit auseinander:

  • 93 Prozent der befragten Autofahrenden geben an, andere Autofahrende würden zu dicht an Radfahrenden vorbeifahren.

  • Gleichzeitig sind 96 Prozent der befragten Autofahrenden der Meinung, sie selbst würden Radfahrende mit mit besonders viel Rücksicht überholen.

Bei den Radfahrenden zeigt sich ein ähnliches Bild:

  • 37 Prozent der Befragten gibt zu, gelegentlich und bei hohem Verkehrsaufkommen mit dem Rad auf den Gehweg auszuweichen.

  • 71 Prozent geben an, dies bei anderen Radfahrenden deutlich häufiger zu beobachten.

Für beide Beispiele gilt: Hier sind große Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung erkennbar. Das Verhalten gefährdet alle Verkehrsteilnehmenden.

Mangelnde Kommunikation führt zu Missverständnissen

Mehr Rücksicht und Verständnis ist leichter gesagt als getan. Denn oft sehen wir im Straßenverkehr nur unsere eigene Perspektive. „Ich sehe nur mich und ich habe recht“, fasst Christian Müller die typische Haltung zusammen. Müller ist Verkehrspsychologe beim Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV Nord. „Ich versetze mich nicht in die Lage des anderen. Der konnte mich vielleicht gar nicht richtig sehen, weil ich auch ein bisschen zu schnell war oder weil die Verkehrssituation ungünstig war. Und dann kochen natürlich die Emotionen hoch.“

Ein Radfahrer fährt auf dem Fahrradweg und gibt ein Handzeichen nach links.

Aber warum passiert das? „Ein großes Problem sind die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten im Straßenverkehr“, sagt Müller. „Es kommt zu Missverständnissen und Fehleinschätzungen, weil man das Verhalten des anderen falsch interpretiert. Wir neigen von Natur aus dazu, das Geschehene auf uns zu beziehen. Dann nehmen wir Dinge schnell persönlich.“ Auch die Schnelligkeit des Verkehrs, persönlicher Stress und Termindruck spielen laut dem Verkehrspsychologen eine Rolle.

Verkehrspsychologe Müller hat auch einen praktischen Tipp, wie mehr Rücksicht im Straßenverkehr gelingen kann:

Es ist wichtig, sich vor der Fahrt bewusst zu machen, dass das Wichtigste im Straßenverkehr die eigene Sicherheit und die der anderen ist. Erst danach kommen Pünktlichkeit oder andere Anliegen.

Verkehrspsychologe Christian Müller

Im Verkehrsalltag fehlen Perspektivwechsel

Was wir also selbst tun können: die Stressquellen reduzieren – unsere eigenen und die der anderen Verkehrsteilnehmenden. Deshalb kann es hilfreich sein, sich im Freundes- und Bekanntenkreis mit Menschen auszutauschen, die andere Verkehrsmittel nutzen als man selbst.

Unsere Kommentarspalten auf Facebook geben Einblicke. Hier schreibt Patricia: „Wir Autofahrer erleben auch oft brenzlige Situationen und davon sind einige durch Fahrradfahrer verursacht, weil sie über rote Ampeln fahren, weil sie einfach, ohne zu gucken, vom Bürgersteig auf die Straße fahren usw.“ Und Gustl kommentiert: „Wir haben hier auf der Hauptstraße zwei Radwege. Ratet mal, wie viele Radler trotzdem auf der Straße rumstrampeln? Und wenn man mal hupt, wird man noch blöde angemacht.“

Wir Autofahrer erleben auch oft brenzlige Situationen und davon sind einige durch Fahrradfahrer verursacht.

Radfahrende, wie Reinhold,wiederum schreiben in unsere Kommentarspalten zum Beispiel: „Die Autofahrer sollen richtig fahren lernen.“

Unsere Botschaft: Alle, die sich im Straßenverkehr bewegen, sollten die geltenden Verkehrsregeln kennen und sich daran halten. Für die eigene Sicherheit und die der anderen Verkehrsteilnehmenden.

Zu Fuß Gehende sind vom dichten Pkw- und Radverkehr gestresst

Fußgängerinnen und Fußgänger, Menschen auf E-Scooter sowie Radfahrende sind als ungeschützte Verkehrsteilnehmende besonders gefährdet. Wenn es zu einem Unfall kommt, geht es oft um Leben und Tod, denn sie haben keine Knautschzone. Von den im Jahr 2023 in Deutschland im Straßenverkehr getöteten Personen war fast jeder Dritte mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs. Verkehrsteilnehmende im Auto sind besser geschützt. Sie tragen deshalb auch eine besondere Verantwortung.

Eine weitere Stressquelle nennt Facebook-Nutzer Simon: „Mich stresst es als Radfahrer sehr, wenn mich Autos anhupen.“ Das Hupen kann auf andere Verkehrsteilnehmende bedrohlich wirken, erschrecken, ablenken und unter Handlungsdruck setzen. Dadurch können Unfälle passieren. Hupen kann aber auch vor akuten Gefahren warnen.

Hupen ist nervig – und oft verboten

Das Hupen löst nicht nur häufig unnötigen Stress aus: Es darf nur in akuten Gefahrensituationen erfolgen. Wer die Hupe im Alltag als „Kommunikationsmittel“ einsetzt, verstößt also fast immer gegen das Gesetz. Für die missbräuchliche Nutzung der Hupe sieht der Bußgeldkatalog ein Verwarngeld in Höhe von 5 Euro vor. Liegt außerdem eine Belästigung vor, kann dieser Betrag auf 10 Euro ansteigen. In Einzelfällen kann der Einsatz der Hupe eine Nötigung darstellen.

Ein Autofahrer winkt aus dem Fenster eines Autos und guckt freundlich.
Hilft einem selbst und anderen: Umsicht und Freundlichkeit bewahren.
Mich stresst es als Radfahrer sehr, wenn mich Autos anhupen.

Wie Gelassenheit gelingt

Gemeinsam für mehr Sicherheit im Straßenverkehr

Rücksichtnahme erhöht die Sicherheit aller. Aber auch darüber hinaus gilt es, einige Grundsätze im Straßenverkehr zu beachten:

  • Jede und jeder Einzelne trägt Verantwortung für die Verkehrssicherheit. Rücksichtsvolles Verhalten schützt uns selbst und andere.

  • Regeln einhalten: Die Straßenverkehrsordnung gilt für alle. Radfahrende dürfen nicht auf Gehwegen fahren und müssen rote Ampeln beachten. Autofahrende dürfen Radfahrende nicht behindern oder gefährden und müssen innerorts einen Sicherheitsabstand von 1,5 m und ausserorts einen Sicherheitsabstand von 2 m zu Radfahrenden einhalten.

  • Vorausschauendes Fahren rettet Leben: Das gilt für alle Verkehrsteilnehmende. Besonders beim Abbiegen ist es für Kfz-Fahrende wichtig, gut auf den Radverkehr zu achten.

Eine Frau auf einem Fahrrad guckt freundlich zur Seite.
Gilt auch für Radfahrende: die Regeln respektieren und gelassen bleiben.

Haben Sie sich beim Lesen auch ertappt, wie leicht wir manchmal in Schubladen denken – etwa über „die Autofahrenden“ oder „die Fahrradfahrenden“ – anstatt den Fokus auf ein faires Miteinander zu legen? Unser Verhalten im Straßenverkehr spiegelt unsere innere Haltung wider. Achtsame Menschen fahren gelassener und lassen sich weniger leicht ablenken.

In jedem Auto und auf jedem Rad sitzt ein Individuum, das #mehrAchtung verdient hat. Ob am Steuer, zu Fuß oder auf dem Rad – wer mit Respekt und Rücksicht unterwegs ist, sorgt für mehr Sicherheit im Verkehr und besseres Verkehrsklima.

Bilder: Lucas Wahl, #mehrAchtung, Shutterstock

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